Das Leben einer Leiche

Habt ihr schon mal eine Leiche gesehen? Ich auch nicht. Aber meine Vermieterin schon. Und es muss furchtbar in meiner Wohnung gerochen haben, da ich eine Woche lang tot auf dem Wohnzimmerboden lag. Niemand vermisste mich, weil ich endlich Urlaub machte. Man sagt ja, zu viel Arbeit kann einen umbringen. Aber mich hat mein Date getötet, nicht der Urlaub. Das Date war definitiv nicht gut.

Ich hatte meiner besten Freundin Rebecca noch gesagt: “Der sieht aus wie ein Mörder.” 

Sie meinte nur: “Du musst doch auch mal wieder flachgelegt werden.” 

Am Ende wurde ich umgelegt. Nicht mal gefickt. Ich war wohl nur zum Töten gut. Er hat mich weder vergewaltigt noch meine Leiche missbraucht. Dieses Arschloch hat mich einfach erwürgt und mir ein Messer in die Brust gerammt. Doppelt hält besser. Erwürgt zu werden dauert ewig, und ich glaube, der Typ hatte dabei einen Ständer. Ihr fragt euch sicher, wie ich das alles erzählen kann, obwohl ich tot bin? Haltet einfach die Schnauze, jetzt bin ich dran.

Ich liege jetzt hier und habe mehr Männerbesuch in meiner Wohnung als je zuvor. Sie sind sogar so nett, Überzieher über den Schuhen zu tragen. Spuren werden gesichert, Fotos gemacht, und ich überlege, in welchem True-Crime-Podcast mein Fall zuerst besprochen wird. Der Beamte von der Mordkommission sieht nicht gerade begeistert aus, eine erwürgte Frau vor sich zu haben, aber sein Partner ist süß. Der hätte mich gerne erwürgen können, aber das Messer hätte er sich stecken lassen können. Versteht ihr? Messer stecken lassen? Aber ich schweife ab.

Nach über einer Stunde werde ich in einen Sack gepackt und es wird mir wieder schwarz vor Augen. Ich muss wirklich sagen, der Weg zur Gerichtsmedizin ist die Hölle. Erst hat der Fahrer gestern erst seinen Führerschein gemacht und dann spart die Stadt noch bei den Straßen. Ich bekomme bestimmt jetzt neue Flecken, nur durch die Fahrt. In der Gerichtsmedizin fühle ich mich sehr nackt. Vielleicht liegt es daran, dass ich nackt bin. Und es ist arschkalt. Zum Glück habe ich keinen Pimmel, der wäre nämlich weg. Ich hoffe, dass mein Körper immer noch gut aussieht, nach einer Woche rumliegen, etwas schwieriger. So fühle ich mich das letzte Mal beim Frauenarzt. Aber naja als Leiche hat man kein Schamgefühl mehr und die von der Gerichtsmedizin sehen auch nicht schlecht aus. Ich hätte kein Problem damit, wenn einer von den beiden nekrophile wäre. Was ich mich aber frage ist, warum sie mich aufschneiden, obwohl es doch klar ist, dass ich erwürgt wurde. Vielleicht war auch das Messer der Grund. Aber ich bin hier nicht der Fachmann… Fachfrau. 

Weißt du, was als Leiche scheiße ist? Außer, dass tot sein natürlich. Dass man immer an eine scheiß Decke starrt. So merke ich, dass mein Nachbar über mir wohl einen Wasserschaden hat. Der Fleck an der Decke wurde immer größer, aber ich schweife ab. Ich starre also die ganze Zeit an die Decke und werde ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Und da fällt mir ein, dass ich meinen Organausweis noch gar nicht beantragt habe. Nach den Erkenntnissen der Gerichtsmediziner bin ich eine topfitte Frau. Wenigstens etwas Gutes. Eigentlich habe ich an meinem Beachbody gearbeitet. Nun arbeite ich an meinem Beerdigungsbody. Und der wird so gut sein, dass mich jemand in die Kiste bekommt.

Wer kommt eigentlich zu meiner Beerdigung? Rebecca bestimmt, dann kann sie rumheulen, dass sie mich überredet hat, sich mit ihm zu treffen. Und das tut sie auch. Meine Eltern kommen nicht, meine Mutter wäre am liebsten bei meiner Geburt auch nicht dabei gewesen, aber irgendwo musste ich ja rauskommen. Da zog ich das erste Mal bei meiner Mutter aus.

Erst ab dem Punkt, als ich in dieser scheiß Kiste liege, merke ich, dass ich eigentlich keine Freunde habe, deswegen lag ich eine Woche in meiner Wohnung rum. Also ist nur Rebecca da und die, die da sein müssen. Irgendjemand muss mich ja verbuddeln. Ich wäre lieber verbrannt worden, aber das weiß ja niemand. Jetzt bin ich froh, dass es nicht so gekommen ist. Ich hätte mich bestimmt wie die Hexe aus Hänsel und Gretel gefühlt.

Aber was mache ich dann in der Kiste so? Komme ich dann erst ins Jenseits? Sind alle Toten noch da und bekommen alles mit? Oder ist das eine Art Fegefeuer? Ich habe niemandem etwas getan, der Typ hat mich einfach umgebracht, ich habe ihn nicht provoziert. Ich schwöre es. Irgendwann wird die Kiste geschlossen und ich werde weggetragen. Irgendwann höre ich, wie Erde auf den Sarg geschüttet wird. 

Dies ist jetzt einige Wochen, vielleicht auch schon Monate her. Ich weiß es nicht, denn ich habe kein Zeitgefühl mehr. Und es ist scheiße langweilig. Das einzige, was ich machen kann, ist verwesen, und das mache ich noch nicht einmal selbst. Eine Leiche zu sein, kann ich auf jeden Fall nicht empfehlen. Hätte er mich mal nur gefickt und mich nicht getötet. Ficken macht mehr Spaß, als tot zu sein.

Ich freue mich schon, wenn die Toten zurückkommen.