„Scheiße, wir haben uns verfahren“, sagte der Kerl auf der Rücksitzbank.
„Halt endlich deine Fresse!“, sagte der Fahrer.
“Ich halt erst die Fresse, wenn wir da sind.”
“Ihr haltet beide die Fresse!”, sagte der Kerl auf dem Beifahrersitz. “Ihr könnt dann die Fresse aufmachen, wenn wir da sind.”
Jetzt war es still im Auto, so fuhren sie weiter durch den dunklen Wald. Niemand kannte sich hier aus und der Ort, zu dem sie unterwegs waren, gab es in keinem Navi.
“Wer kam auf diese Idee uns zu einem Ort zu schicken den niemand kennt?”, fragte der Kerl auf der Rücksitzbank nach ein paar Kilometer im dunklen Wald. Der Kerl auf dem Beifahrersitz schaute nur grimmig in den Rückspiegel und der Kerl auf der Rücksitzbank verstummte wieder.
“Das ist doch der Sinn dahinter!”, sagte der Fahrer. “Was an dem Ort passiert, bleibt an dem Ort. Wir tauschen da ja keine Pokemon-Karten.”
“Ganz schön übertrieben”, sagte der Kerl auf der Rücksitzbank
Niemand antwortete darauf und so fuhren sie weiter durch den Wald. Sie waren alleine im Wald gewesen. Sie hatten kein Auto vor noch hinter sich, auch kein im Gegenverkehr. So fuhren sie noch 10 Minuten durch den Wald.
“Da ist sie!”, sagte der Beifahrer und deutete auf die Abzweigung vor sich.
Der Fahrer bog ohne Worte ab und sie fuhren einen holprigen Waldweg ca. zwei Kilometer entlang bis zum Zielort.
“Wir sind da!”, sagte der Fahrer und hielt direkt vor der Hütte. Er machte den Motor aus, aber nicht die Zündung, damit die Scheinwerfer anblieben.
“Du holst sie aus dem Kofferraum und bringst sie in die Hütte”, sagte der Beifahrer, der wohl der Chef des Trios war, zum Kerl auf der Rücksitzbank. “Und du stellst den Wagen so ab, dass wir, wenn nötig, schnell weg kommen.”
Das sagte er zum Fahrer und stieg aus. Er holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jacke, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an.
Der andere Kerl öffnete den Kofferraum und zog eine junge Frau heraus. Sie wehrte sich ohne Erfolg, da ihre Hände und Füße gefesselt waren. Er nahm sie auf die Schulter und ging zur Hütte. Er ging an dem Beifahrer vorbei und dieser reichte ihm einen Schlüssel. Es war ein nachgemachter Schlüssel an einem Schlüsselanhänger. Er ging mit der Frau auf der Schulter, die Treppe hoch und musste die Tür mit seiner linken Hand aufschließen, was schwierig war, da die Frau sich immer noch wehrte. Sie hatte die Situation noch nicht akzeptiert. Es wunderte ihn, dass sie keinen Lärm im Kofferraum gemacht hatte. Sie hatte es am Anfang getan, aber schnell damit aufgehört. Als er die Tür geöffnet und das Licht eingeschaltet hatte, bewegte sich das Scheinwerferlicht von der Hütte weg. Der Fahrer wendete den Wagen und stellte ihn etwas weiter von der Hütte entfernt ab, so dass er nicht gleich zu sehen war, wenn jemand den Weg zur Hütte entlangkam. Er wusste natürlich, dass der andere auch den Weg blockieren konnte, dann wäre es egal wo der Wagen stand. Er sollte es so machen, also tat er es.
Der Fahrer stieg aus und ging zur Hütte. Die beiden anderen waren schon in der Hütte. Als er reinkam, saß die Frau auf der Couch der Hütte und machte keine Anstalten mehr, sich zu wehren. Der Typ vom Rücksitz durchsuchte die Küche und der Chef des Trios machte im Kamin Feuer. In der Hütte war es kälter draußen. Der Fahrer stand an der Eingangstür und schaute sich um, da bemerkte er, dass die Frau ihn direkt anstarrte. Er dachte sich, dass sie dachte, dass er vielleicht der Typ der Truppe war, denn sie manipulieren könnte, damit er sie frei ließ. Bei dem Gedanken musste er leise lachen und schüttelte den Kopf. Er ging auf den Sessel zu und setzte sich. Die Frau verfolgte ihn mit ihrem Blick. Daraufhin drehte er den Sessel so hin, dass er sie nicht sehen musste. Kaum hatte er das getan, wurde er vom Chef hochgescheucht. Der Chef drehte den Sessel so hin, dass er direkt zur Frau schauen konnte und setzte sich.
“So”, fing er an. “Wir werden jetzt eine Zeit lang hier warten und dann bist du uns los.”
Die Frau runzelte die Stirn, aber sagte nicht.
“Warum sprichst du mit ihr, die antwortet doch eh nicht?”, sagte der Typ vom Rücksitz mit vollem Mund.
“Du könntest dir ein Beispiel an ihr nehmen und die Fresse halten!”, sagte der Chef, ohne sich umzudrehen.
Der Typ vom Rücksitz antwortete darauf nicht und kaute einfach weiter. Es stimmte, die Frau redete nicht, deswegen musste man ihr auch nicht den Mund zukleben. Der Auftraggeber hatte gesagt, dass sie nicht redet, aber er hatte nicht gesagt, ob sie nicht reden kann oder einfach nicht reden will. Aber bis jetzt hatte sie noch keinen Mucks gesagt, noch nicht mal geschrien.
Der Chef stand auf und sagte: “Ich geh rauchen, passt auf sie auf.”
Er ging raus und rauchte eine Zigarette und dann noch eine und noch eine. Als er wieder reinkam, saß der Fahrer wieder auf dem Sessel, abgewandt von der Frau. Der Typ vom Rücksitz saß neben ihr und aß, auch immer, was er gefunden hatte. Am liebsten wäre der Chef wieder raus gegangen und hätte noch eine geraucht. Er fand den Auftrag echt beschissen. Warum sollten sie auf diese Frau aufpassen? Und warum an diesem Ort? Der Chef ging durch die Hütte und schaute sich im anderen Raum der Hütte um. Es war ein Schlafzimmer. Er schaute auf seine Armbanduhr und sah, dass es schon 2:30 Uhr war, nur etwa fünf Stunden, bis sie die Frau abholen wollten.
Also fünf Stunden hier in dieser Hütte mit den Idioten und der Frau. Er überlegte, ob er sich einfach schlafen legen sollte, dann riss ihn Geschrei aus diesem Gedanken. Er ging in den Hauptraum zurück. Die Frau lag jetzt auf der Couch mit den Beinen auf dem Boden. Der Typ vom Rücksitz stand neben dem Fahrer, der immer noch im Sessel saß.
“Was ist los?”, fragte der Chef verärgert.
“Sie wollte mir das Essen klauen!”, sagte der Typ vom Rücksitz und stopfte sich das Essen in den Mund.
Der Chef massierte sich die Schläfen und sagte dann: “Wenn sie was essen will, dann gib ihr was, Mann!”
Der Typ vom Rücksitz schaute erst den Chef, dann die Frau an.
“Hol ihr jetzt was zu essen!”, sagte der Chef leise, aber aggressiv.
Der Typ ging in die Küche und kramte in den Schränken rum. Dann kam er wieder aus der Küche und hatte eine Packung Reiswaffeln in der Hand und ging wieder zur Frau.
Die Frau lag immer noch auf der Couch und machte keine Anstalten, sich selbst aufzusetzen. Der Typ vom Rücksitz drückte ihr einfach die Packung Reiswaffeln in die Hand. Auch er machte keine Anstalten, sie aufzusetzen. So lag sie auf der Couch und aß eine Reiswaffel nach der anderen. Dieses Bild ließ dem Chef einen Schauer über den Rücken laufen. Sie hatte sich nur einmal gewährt. Das fand er komisch, alles war komisch. Ihm wurde bewusst, dass es nicht gut enden wird.
“Setz sie sie auf!”, sagte er fast flüstern.
“Was?”, fragte der Typ vom Rücksitz.
“Setz sie auf!”, wiederholte er lauter.
Der Typ vom Rücksitz ging zur Frau und setzte sie auf.
“Du!”, begann er und schaute zum Fahrer. “Du hältst Wache im Auto.”
“Warum?”, fragte der Fahrer.
“Weil ich es sage!”
Der Fahrer stand auf und ging am Chef vorbei.
“Und du passt auf sie auf!”, sagte der Chef und ging hinter dem Fahrer zur Tür.
“Und was machst du?”, fragte der Typ vom Rücksitz.
“Ich halte draußen Wache!”
Draußen standen beide nebeneinander und der Chef sagte: “Mir gefällt die Sache nicht!”
Der Fahrer antwortete nicht.
“Halt deine Waffe bereit und bleib konzentriert.”
Der Fahrer antwortete immer noch nicht. Er ging nur zum Auto und stieg ein. Der Fahrer war es gewohnt zu beobachten, deswegen schaltete er auch nicht das Licht im Auto ein. Er sollte ja nicht gleich erkannt werden. Auch wenn er nichts sagte, hatte er auch ein mulmiges Gefühl. Die Reaktion vom Chef machte es nicht besser. Der Chef setzte sich auf einen Stuhl, der auf der Veranda stand. Auch er machte seine Waffe bereit. Eine Stunde lang geschah nichts. Die nächsten zwei Stunden schlief er. Als er langsam wach wurde, war es schon einigermaßen hell geworden. Er schreckte hoch, als ihm klar wurde, wo er war. Zuerst schaute er zum Fahrer rüber. Der schlief im Auto. Als nächstes ging er in die Hütte. Im Hauptraum war niemand. Er hastete ins Schlafzimmer und erstarrte. Im Schlafzimmer lag der Typ vom Rücksitz, mit geöffneter Hose, auf dem Bett. Überall war Blut und in seinem Hals klaffte ein großes Loch. Eigentlich gab es keinen Hals mehr. Es dauerte ein paar Minuten bis er bemerkte, dass das Fenster kaputt war. Sie war geflohen. Auf einmal hörte er ein Auto zur Hütte kommen und Autotüren schlugen zu. Jetzt wünschte er sich, diesen Auftrag niemals angenommen zu haben.